Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Melderegisterverordnung („SBGG-Register“)

Im November vergangenen Jahres trat das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft –  ein historischer Meilenstein für trans*, inter* und nicht-binäre (tin*) Communitys. Seitdem tin* Menschen seit Anfang November 2024 ihren Vornamen und Personenstand nach dem SBGG ändern können, wurde und wird das Selbstbestimmungsgesetz für polemische Wahlkampfrhetorik instrumentalisiert sowie regelmäßig im Bundestag infrage gestellt.  Aktuell ist das SBGG weiterhin in Kraft. Allerdings steht durch einen aktuellen Gesetzesentwurf ein erhebliches Diskriminierungs- und Sicherheitsrisiko im Raum für trans*, inter* sowie nicht-binären Personen, die das Selbstbestimmungsgesetz genutzt haben oder noch nutzen möchten.

Denn ein Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern zur „Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen“, die zum 1.11.2026 in Kraft treten soll, hätte zur Folge, dass alle bisherigen und künftigen Nutzer*innen des SBGG in einem sogenannten „Sonderregister“ dauerhaft erkennbar sein würden. So wären alle Informationen zum früheren Geschlechtseintrag, zum Datum der Änderung, zur zuständigen Behörde, zum Aktenzeichen sowie zu früheren Vornamen dauerhaft gespeichert und für Behörden zugänglich. Dazu wurden von verschiedenen Akteur*innen, beispielsweise dem Bundesverband Trans*, bereits verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken geäußert.

Eine Verabschiedung der geplanten Verordnung muss unbedingt verhindert werden. Es gehört zur Selbstbestimmung, selbst darüber entscheiden zu können, ob und welche Menschen den früheren Geschlechtseintrag sowie frühere Vornamen erfahren. Durch die Umsetzung der Verordnung hätten trans*, inter* und nicht-binäre Personen keine Kontrolle darüber, wer genau Zugriff auf ihre Daten erhält und würden zwangsgeoutet. Dies widerspricht dem Ziel des SBGG, die Selbstbestimmung von tin* Personen in Deutschland zu stärken. Eine Weitergabe früherer Einträge wird im SBGG geregelt und ist durch das Offenbarungsverbot verboten. Ein Verstoß wird mit einem Bußgeld geahndet und eine Weitergabe von Daten ist nur in äußersten Ausnahmefällen zulässig. Das Anlegen von Registern im Meldewesen mit SBGG-Nutzer*innen widerspricht dem Charakter des Offenbarungsverbots.

Menschen, die das Selbstbestimmungsgesetz bereits zur Änderung ihres Vornamens und Personenstandes genutzt haben, befürchten nun verbale und physische Gewalt, Stigmatisierung, Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt und weitere Diskriminierung in Folge eines Zwangsoutings. Menschen, die das SBGG nutzen möchten, werden durch das geplante Vorhaben eingeschüchtert und verunsichert. Bereits die Bekanntgabe des Referentenentwurfs hat in den Communitys für Entsetzen gesorgt und erschwert Personen schon jetzt den Zugang zum Selbstbestimmungsgesetz.

Trans*, inter* und nicht-binäre Menschen müssen u.a. rechtlich geschützt werden, anstatt noch stärker zur politischen Zielscheibe zu werden. Sollten trans*feindliche Parteien, Gruppierungen und Einzelpersonen Zugriff auf diese sensiblen personenbezogenen Daten erhalten, würde sich die Bedrohungslage für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen voraussichtlich weiter verschärfen. Die Umsetzung der Verordnung stellt somit ein enormes Sicherheitsrisiko für tin* Menschen dar, die bereits jetzt eine besonders vulnerable Gruppe darstellen. Im Hinblick auf globale Entwicklungen lässt sich beobachten, dass die Rechte von trans*, inter* und nicht-binären Menschen vielerorts immer weiter eingeschränkt werden. Die Lebensrealität vieler tin* Personen, auch in NRW und in der Bundesrepublik, ist bereits jetzt davon geprägt, dass Diskriminierung weiter zunimmt.  

Das Queere Netzwerk NRW setzt sich entschieden gegen TIN*-Feindlichkeit, für Schutz vor Diskriminierung und für Aufklärungs- und Beratungsangebote ein. Die Rechte und das Leben von tin* und allen queeren Menschen zu schützen, ist eine Kernaufgabe unserer Demokratie.

Wir appellieren an alle Entscheidungsträger*innen, einer Verabschiedung der Melderegisterverordnung nicht zuzustimmen und deutlich zu machen, dass die Rechte von tin* Personen nicht nur geschützt, sondern ausgebaut werden müssen. Das Queere Netzwerk lädt alle dazu ein, die Petition „Kein Sonderregister für trans* Personen – Nie wieder Listen gegen Minderheiten!“ zu unterzeichnen.

FAQ zur Personenstands- und Vornamensänderung nach dem Selbstbestimmungsgesetz

Seit dem 1. November ist die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen nach dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) möglich. Uns und unsere Fachstellen/Projekte erreichen derzeit zahlreiche Fragen zur Antragstellung. Die häufigsten Fragen haben wir im FAQ-Papier aufgeführt und beantwortet.

Wir hoffen, dass dieses Papier die Antragstellung etwas erleichtert. Menschen, die ihren Geschlechtseintrag und ggf. ihre(n) Vornamen ändern lassen möchten, laden wir dazu ein, das knappe Papier zum Termin im Standesamt mitzunehmen, um bei Bedarf darauf verweisen zu können.

Downloads

Das Selbstbestimmungsgesetz ist beschlossen!

Der Bundestag hat das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet!

Für trans*, nicht-binäre und inter* Erwachsene ist es endlich möglich ihren Geschlechtseintrag und/oder ihre(n) Vornamen ohne Gutachten oder ein ärztliches Attest ändern zu lassen: durch eine Selbsterklärung beim Standesamt nach vorheriger Anmeldung.

Das Gesetz tritt am 1.11.2024 in Kraft. Ab dem 1.8.2024 können Vornamens- und Personenstandsänderungen nach dem Selbstbestimmungsgesetz beim Standesamt angemeldet werden.

Wir feiern, dass das trans*feindliche TSG mit der Zwangsbegutachtung endlich abgelöst wird und dass die Attestpflicht für inter* Menschen (aus dem §45 b des Personenstandsgesetzes) wegfällt. Dieser historische Schritt wurde möglich durch die jahrzehntelange Arbeit von trans* und inter* Community-Vertreter*innen.

Gleichzeitig enthält auch das jetzt verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz Einschränkungen der geschlechtlichen Selbstbestimmung. So benötigen Minderjährige ab 14 Jahren die Zustimmung der Sorgeberechtigten (die vom Familiengericht ersetzt werden kann). Und für Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren können nur die gesetzlichen Vertreter*innen die Erklärung abgeben. Neu eingeführt wurde die Erfordernis einer Beratungserklärung für Minderjährige und gesetzliche Vertreter*innen. Und viele Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft können das Selbstbestimmungsgesetz nicht nutzen.

Für viele trans*, nichtbinäre und inter* Menschen ist es eine Erleichterung, dass die in den Gesetzesentwurf aufgenommene Regelung zur automatisierten Datenübermittlung an Sicherheitsbehörden im verabschiedeten Gesetz nicht enthalten ist.

Andere Regelungen aus dem Gesetzesentwurf wie der so genannte „Hausrechtsparagraf“, die auf ein Misstrauen gegenüber trans* Menschen und einer Sorge vor einem (angeblichen) Ausnutzen des Gesetzes basieren, wurden jedoch beibehalten.

Als Queeres Netzwerk NRW setzen wir uns gemeinsam mit Kooperationspartner*innen für eine vollständige Selbstbestimmung von trans*, nichtbinären und inter* Menschen ein. Bei der Selbstbestimmung darf es keine Kompromisse geben!