Versprechen gebrochen! Schwarz-Grüne Landesregierung streicht Senior*innenarbeit für Lesben, Schwule und trans Personen
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW stellt die Förderung der queeren Seniorenarbeit ein. Sozialminister Karl-Josef Laumann ließ sich von landes- und bundesweiten Protesten nicht beeindrucken: Eine zielgruppenspezifische Förderung sei nicht mehr vorgesehen, die Aufgaben müssten künftig von den Regelstrukturen geleistet werden.
Im Koalitionsvertrag 2022 klang das noch ganz anders. Um die Lebenssituation für LSBTIAQ*-Menschen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern, war vorgesehen, die Angebote für queere Senior*innen auszubauen. Stattdessen ist ab 1. Juli 2024 Schluss mit einer diversen Altersarbeit, die weit über NRW hinaus Anerkennung fand und Maßstäbe gesetzt hat.
Die Landesfachberatung, so Jörg Marx, Sprecher der Landesseniorenbüros NRW, sei der einzig relevante Ansprechpartner mit Expertise. Nur mit ihrem Wissen könne es gelingen, queeres Altern als Aufgabe in die Kommunen einzubringen.
In NRW leben rund 240.000 lesbische, schwule und trans Senior*innen. Viele blicken mit Sorge auf das Alter. Es fehlen Begegnungsorte, um Gemeinschaft statt Einsamkeit zu erleben. Es fehlen sensible Beratungen und Pflegeangebote zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Alter.
Zwölf Jahre kümmerte sich die in der Kölner Beratungseinrichtung rubicon e.V. angesiedelte Landesfachberatung für gleichgeschlechtliche und transidente Lebensweisen in der offenen Senior*innenarbeit um diese Fragen. Das Team kooperierte mit Kommunen und Freien Trägern und unterstützte ehrenamtlich geleitete queere Senior*innengruppen.
Mit dem Beschluss der Landesregierung werden mühsam aufgebaute Strukturen aufgelöst. Britta Holtmann, zuständig für die Pflegeplanung im Kreis Herford kritisiert: „Das ist ein Skandal vor dem Hintergrund, wie wichtig diese Fachberatung gerade für Flächenkreise und ländliche Bezirke ist. Wir brauchen dieses Fachwissen für die älteren Generationen. Es gibt nichts Vergleichbares!“
Fachberatung und Netzwerke erhalten: Queere Senior*innenarbeit dauerhaft fortsetzen!
Die NRW-Landesverbände der LSBTIQ* Communities protestieren gegen die geplante Streichung von Fördermitteln und fordern gerade jetzt den Erhalt der Senior*innenarbeit für queere Menschen in NRW.
In Nordrhein-Westfalen leben mindestens 240.000 queere Menschen ab 65 Jahren. Sie brauchen im Alter spezifische Angebote, damit sie nicht erneut in Unsichtbarkeit und Einsamkeit zurückfallen! Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels kommt diesen Themen längst eine hohe gesellschaftliche Relevanz zu.
2011 hat das Land NRW die Notwendigkeit erkannt und die Landesfachberatung gleichgeschlechtliche und trans_idente Lebensweisen in der offenen Senior*innenarbeit in NRW (rubicon e.V.) eingerichtet. Seitdem wurden landesweite Vernetzungs- und Communitystrukturen aufgebaut, Sensibilisierungen in Altenhilfeeinrichtungen durchgeführt und der Fachdiskurs um queere Perspektiven erweitert. Deutschlandweit gilt das Projekt als Pionierarbeit und Vorbild. Diese gleichermaßen notwendige wie erfolgreiche Arbeit soll laut Plänen des fördernden Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) nicht fortgesetzt werden. Stattdessen sollen die Regelstrukturen die Aufgaben übernehmen.
Als landesweite queere Selbstorganisationen wissen wir, dass Öffnungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen in Regelstrukturen andauernde Prozesse sind, die erst durch Kontinuität und eine verlässliche Begleitung nachhaltige Wirkung entfalten. Den weiterhin bestehenden Beratungs- und Begleitungsbedarf melden auch die zuständigen Kommunen und Regelstrukturen zurück. Die notwendige Fortsetzung der Fachstelle Senior*innenarbeit ist daher unbedingt vonnöten, um zielgruppenspezifisches Fachwissen in den Regelstrukturen flächendeckend oder systematisch zu vermitteln. Zur Zeit ist dies nicht einmal im Ansatz vorhanden. Es braucht daher ein entschlossenes und koordiniertes Handeln, um ein Altern in Würde für alle Menschen zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit queeren Communities ist dabei zentraler Erfolgsfaktor.
Die geplante Abwicklung der landesweiten Senior*innenarbeit für gleichgeschlechtliche und trans_idente Lebensweisen konterkariert diese Bedarfe und steht den Zielen des Aktionsplans der Landesregierung insgesamt entgegen. Konkret trifft die Streichung eine Generation, die noch direkt von den diskriminierenden Auswirkungen des §175 oder dem Sorgerechtsentzug betroffen war. Die Streichung führt nicht zum Abbau von Diskriminierung, sondern verstärkt Isolation und Ausgrenzung. Zudem ignoriert sie den Beratungsbedarf von Kommunen und Regelstrukturen.
Die LSBTIAQ*-Landesverbände halten die Pläne zur Abwicklung der Fachberatungsstelle Senior*innenarbeit für gleichgeschlechtliche und trans_idente Lebensweisen daher für kontraproduktiv und politisch verantwortungslos. Sie darf auch in Zeiten knapper Kassen nicht völlig wegfallen. Es muss ein Weg gefunden werden, diese Struktur in irgendeiner Form zu erhalten. Wir fordern also ausdrücklich die Fortsetzung der landesweiten Fachberatung.
Offener Brief der LSBTIAQ*-Landesverbände:
Aidshilfe NRW
ARCUS-Stiftung
Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans* NRW
LSVD NRW
Queeres Netzwerk NRW
Download: Offener Brief Senior*innenarbeit