Stellungnahme: Ergebnisse der Studie zu Lebenslagen und Erfahrungen von LSBTIQ* in NRW
Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen hat heute, am 25.04.2025, die Ergebnisse der 2024 landesweit durchgeführten Studie zu Lebenslagen und Erfahrungen von LSBTIQ* in NRW veröffentlicht. An der Studie teilgenommen haben 5397 queere Menschen, 4976 Fachkräfte und 775 Angehörige von queeren Menschen. Daraus ergibt sich eine einmalige, fundierte und stichhaltige Datengrundlage über Diskriminierungserfahrungen queerer Menschen in NRW.
„Die Landesregierung hat Hausaufgaben zu machen – und zwar dringend!“, fasst Laura Becker (Vorstand Queeres Netzwerk NRW) die Ergebnisse zusammen. Insgesamt berichten über die Hälfte der befragten queeren Menschen in NRW über regelmäßige Diskriminierungen. Eine Mehrheit von über 80% der befragten queeren Menschen befürchtet eine Verschlechterung der eigenen Lebenssituation angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung. Diese Sorgen führen zu Vermeidungsverhalten, v.a. im öffentlichen Raum (Straßen, Plätze oder Parks) bei über zwei Dritteln der Befragten. Weniger als 10% melden ihre Diskriminierungserfahrungen bei der Polizei, wodurch diese weitgehend unsichtbar bleiben.
Augenfällig ist die Diskrepanz zwischen einer verhältnismäßig hohen Akzeptanz queerer sexueller Orientierungen und der vergleichsweisen niedrigen Akzeptanz queerer geschlechtlicher Identitäten. So sind ca. 75% der trans*, inter* und nichtbinären Menschen (kurz TIN*) mit Diskriminierung und Ausgrenzung im Alltag konfrontiert. Auch queere Menschen of Color sind massiven und meistens intersektionalen Diskriminierungen überproportional ausgesetzt. „Die Ergebnisse der Studie sind bestürzend: Die Diskriminierung von LSBTIQ* in NRW ist weit verbreitet und für viele queere Menschen schlicht Alltag. Es erfordert nun eine entschlossene, finanzierte und ministeriumsübergreifende Strategie zum nachhaltigen Abbau von Queerfeindlichkeit in NRW. Aus der queeren Community wird schon seit Jahren Alarm geschlagen, spätestens jetzt gibt es keine Ausreden mehr!“, so Laura Becker weiter.
Viele der befragten Fachkräfte benennen einen Fortbildungsbedarf zu queeren Themen und erachten eine Qualifizierung als dringend notwendig. Insbesondere in den Bereichen Schule, Gesundheit, Pflege und Polizei fehlt es häufig an fachlich notwendiger Queer-Kompetenz bzw. an geeigneten Fortbildungsangeboten. „Dass Fortbildung explizit gewünscht und als fachlich notwendig erachtet wird, gibt uns Hoffnung und macht Mut! Sensibilisierung trägt maßgeblich zum Abbau von Diskriminierung bei. Jetzt müssen die Fachkräfte ernstgenommen werden. Was wir brauchen, ist eine Fortbildungsoffensive zu queeren Themen“, fordert Benjamin Kinkel, Geschäftsführer des Queeren Netzwerks NRW. „Neben Arbeitgebenden, berufsständischen Kammern und Gewerkschaften steht auch die Landesregierung mit in der Verantwortung!“
Da der Abbau von Queerfeindlichkeit Zeit benötigt, müssen Betroffene in ihrem Umgang mit Diskriminierung parallel gestärkt werden. „Solange Diskriminierung fortbesteht, braucht es auch Maßnahmen, um queere Menschen zu empowern und aufzufangen. Beratungsstellen, Selbsthilfe und Empowerment-Angebote müssen auf Grundlage dieser Studienergebnisse dringend ausgebaut werden – vor allem für TIN* und queere Menschen of Color!“, so Laura Becker.
Das Queere Netzwerk NRW fordert die Landesregierung mit Nachdruck dazu auf, die Ergebnisse der Studie ernst zu nehmen und den Abbau von Diskriminierung und Queerfeindlichkeit ministeriumsübergreifend zu intensivieren. Die Zunahme von Queerfeindlichkeit schadet der Demokratie und verletzt die Gleichheit von queeren Menschen.