Rede von Steffen Schwab (Vorstandsvorsitzender)
Wir blicken natürlich an diesem Abend wieder vor und zurück, wie sich das für einen Empfang zum neuen Jahr gehört. Von mir dürft ihr, sollen Sie dazu allerdings nicht viel erwarten. Schließlich sind wir alle ja nicht, zumindest nicht hauptsächlich hier, um uns eine Ansprache anzuhören – wäre das so, hätten wir sicher keine Kosten für einen hochkarätigen Referenten gescheut, der sein Honorar dann selbstverständlich an die ARCUS-Stiftung gespendet hätte.
Wir sind vor allem hier, um miteinander zu reden, bei dem einen oder anderen Getränk und dem, was das Büffet so hergibt. Da können wir dann gern Bilanz ziehen, Verabredungen treffen, Pläne schmieden, netzwerken – und vor allem, wo noch nicht geschehen, einander kennen lernen.
Die Welt ist nicht besser geworden in den letzten zwölf Monaten, und auch unsere Gesellschaft nicht, in der wir leben. In Uganda werden Schwule und Lesben verfolgt wie in kaum einem anderen Land der Erde - ein Gesetz, das sie mit der Todesstrafe bedroht, wurde zwar noch abgewendet, aber die Drohung mit lebenslanger Haft steht im Raum. In Frankreich gehen Menschen auf die Straße, um gegen das Adoptionsrecht für schwule und lesbische Lebensgemeinschaften zu demonstrieren. Und auch der Papst macht es nicht gerade billig, wenn er von der Homo-Ehe gleich die Zukunft der Menschheit bedroht sieht.
Wir werden für eine bessere Welt eintreten, auch in diesem Jahr. Und wir werden es gemeinsam ertragen müssen, wenn uns das nicht auf Anhieb gelingt. Darüber sollten wir nicht übersehen, dass ausdauerndes Engagement nicht vergeblich ist.
Wir – und damit meine ich uns alle, nicht allein die Landesverbände - haben, gerade in den letzten zwei Jahren, viel erreicht. Darüber haben wir uns gefreut.
Aber das fordert uns nun auch, aus den eröffneten Chancen etwas zu machen: Der Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie ist von der Landesregierung verabschiedet worden. Sie wird sich daran messen lassen – und wir, die Verbände, die wir an der Erarbeitung des Aktionsplans beteiligt waren, werden beim Messen mithelfen und dabei weiter intensiv zusammenarbeiten.
Der Aktionsplan stellt auch für uns ein Arbeitsprogramm dar: Nun haben die Projekte, die sich an den dort gesetzten Themen und Prioritäten orientieren, gute Chancen auf Verwirklichung. Besonders gilt das für Initiativen im ländlichen Raum, und besonders gilt das für nachhaltige Projekte - gerade letzteres sollten wir entschlossen interpretieren: Was ist nachhaltiger als das Schaffen und Bewahren von Infrastruktur?
Noch ein Blick in die weitere Zukunft: 2014 kommen die Magnus-Hirschfeld-Tage nach NRW. Die Veranstaltungsreihe mit Vorträgen und Diskussionen, Film und Show wird eine Brücke zwischen unserer Geschichte und unserer Zukunft schlagen. Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung des Bundes veranstaltet dieses zweiten Magnus-Hirschfeld-Tage geneinsam mit unserer Arcus-Stiftung, die dabei von den Landesverbänden SNW und LAGL unterstützt wird. Die Magnus-Hirschfeld-Tage, eigentlich -Wochen, in NRW werden dann besonders gut gelingen, wenn sich viele Projekte, Gruppen und Vereine aus den verschiedenen Regionen unseres Landes mit eigenen Beiträgen am Programm beteiligen.
Und nun etwas völlig anderes. Irgendwas mit Medien. Vielleicht habt ihr ja selbst schon mal so geantwortet, als ihr gefragt wurdet, was um Himmels willen ihr in Zukunft mit euch anfangen möchtet. Wir, das Schwule Netzwerk, machen in diesem Jahr auch was mit Medien.
Mit den Medien, die unsere Community zusammenhalten - auf die wir als gesellschaftliche Minderheit angewiesen sind, um uns mit- und übereinander zu verständigen. Und mit den Medien, die in die gesamte Gesellschaft hineinwirken, und wenn sie Leitmedien sind, Themen setzen, Entwicklungen fördern oder verstärken, letztlich sogar Einstellungen verändern können.
Zeitungen sterben in diesen Tagen, und mit jeder von ihnen gehen Stimmen verloren, die uns und unser Leben sichtbar machen können, die mit ihren Berichten, Reportagen, Interviews und Kommentaren kleine Beiträge für Akzeptanz und gegen Diskriminierung leisten können.
Das ist umso trauriger, als es auf der anderen Seite erst eines Kraftaktes bedurfte, die Hetzer von Kreuznet zum Schweigen zu bringen. Wenn dies nachhaltig gelingt, verdanken wir das den vielen engagierten Menschen, die sich zu einem beeindruckenden Bündnis zusammengefunden haben.
Auch in unserer Gemeinschaft fehlt es nicht an Medienprojekten, die hoffnungsvoll gestartet und über kurz oder lang wieder untergegangen sind. Die, die wir haben, verdanken ihre Existenz einer riskanten, nicht immer gelingenden Gratwanderung zwischen Kommerz und inhaltlichem Anspruch. Und sie überleben allzu oft nur durch die Selbstausbeutung ihrer Macher. Eine unternehmerische Katastrophe wird dann auch sofort zur persönlichen. Und umgekehrt - ein Zimmerbrand genügt. Wir freuen uns natürlich, dass die Fresh das überstanden hat. Froh und erleichtert sind wir aber vor allem, dass Dietrich Dettmann wieder auf den Beinen ist und heute bei uns sein kann.
Wir finden, die Zeit ist reif, uns einmal unseren Medien zuzuwenden und die zu würdigen, die Schwule und Lesben, Bi- und Transsexuelle, ihr Leben und ihre Ideen, ihr Anders- und Gleichsein sichtbar machen. Wie könnten wir das angemessener tun als mit der Verleihung unserer Kompassnadeln?
Schwule, lesbische, bisexuelle und Trans-Jugendliche aus Dortmund und Umgebung setzen sich vor und hinter der Kamera mit ihrem Coming Out, mit ihrer Lebenssituation auseinander, produzieren Fernsehbeiträge und Kurzfilme.
Das Ergebnis ist das Internet-Fernsehmagazin Queerblick. Für besonderes ehrenamtliches Engagement soll Falk Steinborn stellvertretend für den Queerblick e.V. die Kompassnadel am 6. Juli im Gürzenich entgegennehmen.
Ein ausgewogenes und realistisches Bild von schwulem Leben in Deutschland und vor allem auch in anderen Ländern, in denen Homosexuelle unterdrückt, verfolgt und ermordet werden.
Eine immer wieder feinfühlige Darstellung der Lebens- und Leidenssituation von transsexuellen Menschen. Eine in der Kommentierung engagierte Brandmauer gegen die, die immer noch meinen, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität herabwürdigen oder diskriminieren zu dürfen. Ein aktives Eintreten für die Verbesserung der Lebenssituation von Schwulen und Lesben in unserer Gesellschaft .
Das ist das, was wir uns von den Medien wünschen. All das ist ungemein viel wert, wenn es kontinuierlich geschieht und wenn das dann auch in einem der deutschen Leitmedien stattfindet, an deren Berichterstattung sich die meisten ernstzunehmenden Redaktionen in der Republik orientieren.
Der Spiegel, das große deutsche Nachrichtenmagazin, tut dies beispielhaft – durchaus auch erst nach einem Lern- und Veränderungsprozess, seit vielen Jahren. Wir möchten dafür die Print- und Online-Redaktionen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel mit der Kompassnadel auszeichnen.
Und damit habe ich auch schon alles gesagt, was ich sagen wollte. Das Hauptprogramm dieses Abends kann, endlich, beginnen. Ich wünsche uns nun noch viele nette Plaudereien am heutigen Abend und eine gute Zusammenarbeit auch in diesem Jahr.
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