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eine geballte Faust vor lilafarbigem Hintergrund. Arm und Hand sind ebenfalls mit lila Farbe bemalt, darin zeichnet sich das Venus-Zeichen ab.

Ohne Feminismus keine queere Emanzipation! Queerfeministische Forderungen anlässlich des Frauenkampftags 2023

Weiterhin bestehen weltweit Defizite in Bezug auf die Gleichstellung aller Geschlechter – das ist auch in NRW spürbar. Echte Fortschritte kann es dabei nur geben, wenn feministische und queere Politik Hand in Hand gehen – denn Queerfeindlichkeit ist von Frauenfeindlichkeit kaum zu trennen. Das Queere Netzwerk NRW fordert anlässlich des diesjährigen Frauenkampftags konsequente Maßnahmen zur vollständigen Gleichstellung von FLINTA[1] und zur Bekämpfung von Sexismus in queeren Community-Strukturen.

Laura Becker, Vorstandssprecherin des Queeren Netzwerks NRW, erklärte im Vorfeld des weltweiten Aktionstags, warum der Kampf für Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit ein Thema für alle Queers ist: „Queere Frauen erfahren Queerfeindlichkeit (auch), weil sie der Vorstellung nicht gerecht werden, wie eine Frau zu leben und zu sein hat.“ Das gelte für Frauen, die andere Frauen lieben und begehren, mit ihnen ihr Leben gestalten und Kinder großziehen. Aber auch für diejenigen, die ohne Beziehungen, in queerplatonischen oder polyamourösen Beziehungen leben. Es gälte für Frauen, die mit heteronormativen Rollenidealen in Beruf und Freizeit brechen und für solche, die Weiblichkeit und Frausein leben und bejahen, obwohl die Medizin ihre Körper für männlich oder geschlechtlich „uneindeutig“ hält. Frauenfeindlichkeit und Sexismus, so Becker weiter, beträfen aber auch Queers, die keine Frauen sind: „In einer frauenfeindlichen Gesellschaft wird jede Verbindung mit Weiblichkeit als negativ bewertet. Frauenfeindliche Diskriminierung trifft also auch trans* Männer und nichtbinäre Personen, die wegen ihres Personenstands, ihres Aussehens oder anderer Merkmale als Frau wahrgenommen werden. Und etwas weitergedacht trifft frauenfeindliche Diskriminierung auch (queere) cis Männer – wenn sie z.B. vermeintlich zu feminin auftreten.“

Queere Communities sind also Teil feministischer Kämpfe, quer durch alle politischen Ressorts und Lebensbereiche. „Wir brauchen dringend flächendeckende und lebensweltsensible Anlaufstellen für gewaltbetroffene FLINTA,“ so Birgit Bungarten, Vorständin im Queeren Netzwerk NRW und stellvertretende Geschäftsführung des Beratungszentrums rubicon e.V. in Köln. „Das betrifft die psychosoziale Beratung ebenso wie Frauenhäuser, Notschlafstellen und andere Orte, an denen akut von Gewalt betroffene Menschen Schutz suchen. Wir brauchen ein Bewusstsein auch für Phänomene wie häusliche Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen und anderen queeren Beziehungskonstellationen. Und wir brauchen lebensnahe und an den Bedarfen der Betroffenen orientierte Lösungen für Schutzräume, damit auch trans* und inter* Frauen, nichtbinäre Menschen und trans* Männer sicher sein können, vor geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt Schutz zu finden.“

Dieser drastische Mangel an sicheren Zufluchtsorten für queere FLINTA zeige sich auch im Bereich Flucht und Asyl, so Lilith Raza, Vorständin des Queeren Netzwerks NRW, Fachreferentin des bundesweiten Projekts "Fluchtgrund: queer - Queer Refugees Deutschland" und Vorstandsmitglied bei SOFRA Queer Migrants e.V. Besonders desolat sei die Situation für geflüchtete trans* Frauen in Gemeinschaftsunterkünften. „Viele von ihnen werden gezwungen, mit Männern in einer Unterkunft zu bleiben, weil ihre Ausweisdokumente sie nicht als weibliche Personen anerkennen. In vielen Fällen werden sie dort körperlich belästigt, psychisch belastend ist die Situation in jedem Fall. Viele Frauen und Familien in Gemeinschaftsunterkünften (GU) lassen es nicht zu, dass trans* Frauen mit ihnen untergebracht werden. In einigen wenigen deutschen Städten gibt es GU nur für LSBTIAQ* Geflüchtete. Dieses Angebot brauchen wir flächendeckend, mit Platzkapazitäten für alle asylsuchenden Queers!“

Aber auch jenseits akuter Not- und Krisensituationen gäbe es Nachholbedarf in Bezug auf die gesellschaftliche Gleichstellung queerer Frauen. „Absolut veraltet ist zum Beispiel das Abstammungsrecht mit Bezug auf Regenbogenfamilien,“ so Becker. „Wenn ein Kind in eine heterosexuelle Ehe geboren wird, hat es automatisch zwei Eltern – unabhängig davon, ob die Ehepartner*innen beide biologisch seine Eltern sind. Für queere Paare gilt das nicht. Mütter, die ihre Kinder nicht selbst gebären, müssen sie z.B. erst adoptieren – auch, wenn sie mit der anderen Mutter des Kindes verheiratet sind. Damit muss Schluss sein, genauso wie mit der Benachteiligung von queeren Eltern im Rahmen von Kinderwunschbehandlung, Geburtsvorbereitung und Co.!“ 

Feministischer Aktivismus in queeren Communities sei aber auch eine Frage der selbstkritischen Weiterentwicklung in den eigenen Strukturen, ergänzt Dr. Vera Uppenkamp, Vorständin im Queeren Netzwerk NRW und in der Rosa Strippe e.V. in Bochum. „Wir dürfen uns angesichts gesellschaftlicher Angriffe auf unsere Communities nicht spalten lassen. Queere Communities sind am stärksten, wenn all ihre Mitglieder miteinander solidarisch sind. Das bedeutet: Keine Kompromisse bei der lesbischen Sichtbarkeit! Keine Toleranz für Sexismus, Trans- und Interfeindlichkeit in den eigenen Reihen! Konsequente Einbindung aller Geschlechter in Entscheidungsstrukturen, zum Beispiel über FLINTA-Quoten!“

Weitere Informationen zur Interessensvertretung und fachlichen Arbeit des Queeren Netzwerks NRW und seiner Fachstellen finden Sie unter www.queeres-netzwerk.nrw

Das Queere Netzwerk und seine Fachstellen halten außerdem eine Vielzahl an Informationsmaterialien bereit, die sich mit der queersensiblen und feministischen (Weiter)entwicklung von Organisationen beschäftigen, darunter etwa:

  • Jetzt sprechen wir. Eine Broschüre mit Perspektiven von queeren Mädchen und Frauen nach Flucht (2022)
  • Plakat "Wir sind da!" - queere Mädchen* nach Flucht (Neuauflage 2023)
  • Work In Progress: Mädchen- und Frauenräume trans*inklusiv (weiter-)entwickeln (2021)

Diese und viele weitere Veröffentlichungen finden Sie unter www.queeres-netzwerk.nrw/infomaterialien zur Bestellung und zum Download.


[1] Die Abkürzung FLINTA ist eine Selbstbezeichnung, die in (queer)feministischen Bewegungen und Räumen entstanden ist. Sie steht für Frauen, Lesben, inter*, nichtbinäre, trans* und abinäre Personen. Die Benennung von Lesben als eigener Kategorie neben und zusätzlich zu Frauen bildet ab, dass manche Lesben dieses Label auch als geschlechtliche Selbstbezeichnung nutzen – zum Beispiel, weil Lesben innerhalb von heteronormativen Frauenbewegungen auch Ausgrenzung erfahren (haben), sowohl historisch als auch in der Gegenwart.


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