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Falk Steinborn (Jahrgang 1987) gründete 2009 den Verein queerblick, der mit Jugendlichen zunächst in Dortmund und Umgebung eigene TV-Beiträge und Kurzfilme realisiert. Seit diesem Jahr sind der diesjährige Preisträger der Kompassnadel für ehrenamtliches Engagement und sein Team in ganz Deutschland unterwegs.
Falk, für diejenigen, die Dein Projekt noch nicht kennen – was ist queerblick?
queerblick ist ein Medienprojekt für junge Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transmenschen, die Lust haben, selber Medien zu machen. Einen Fernsehbeitrag zu machen, kann beispielsweise helfen, eigene Interessen, Ideen und Fragen zu formulieren. Junge Menschen brauchen ein Informations- und Aufklärungsangebot, das eben nicht nur aus Text besteht, sondern auch aus Bild und Ton. Sie brauchen Identifikationsmöglichkeiten, die ihnen Mut machen, in denen sie sich mit anderen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transpersonen identifizieren können. Kaffeekränzchen und übers Schwulsein reden – das haben wir jetzt 25 Jahre lang gehabt. Natürlich muss es das auch weiterhin geben, aber das darf nicht alles sein.
Unterscheiden sich die Bedürfnisse von queeren Jugendlichen von denen heterosexueller. Anders gefragt: Warum ist so ein Projekt wie queerblick notwendig?
Schwul, lesbisch, bi- oder trans zu sein ist in Deutschland immer noch nicht so „normal“, wie das im 21. Jahrhundert eigentlich sein sollte. Für Jugendliche ist das Coming-out nach wie vor ein schwieriger Schritt, durch den sie vielfach Diskriminierung erfahren. Wenn man nicht das Glück hat, ein großen schwulen Bruder zu haben oder eine lesbische Tante, dann hat man vielleicht erst einmal gar keine Berührungspunkte zu queeren Menschen. Diese Berührungspunkte und Vorbilder zu schaffen, ist das Anliegen von queerblick. Mit Videos kann man sehr einfach alternative Lebenswege aufzeigen. Für heterosexuelle Jugendliche ist das zunächst einmal weniger relevant, weil heterosexuelle Lebensweisen ja jeden Tag im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung zu finden sind.
Was ist – über technische Fragen hinaus – die Medienkompetenz, die queerblick vermittelt?
Wenn ich mich mit der Frage beschäftige, wie Medien arbeiten, welche Aussagen sie über unsere Wirklichkeit formulieren, was sie transportieren, denke ich auch darüber nach, wie ich meine eigene Welt wahrnehme und formen kann. Ein Fernsehbeitrag ist ein guter Anfang, sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Aber unser vorrangiges Ziel ist ja keine Medienkritik, sondern die Produktion von eigenen Beiträgen. Sich selbst ausdrücken zu können, darin steckt eine hohe Motivation. Wenn man einen Coming-out-Beitrag macht und unzensiert über seine Gefühle reden kann, dann kann das sehr befreiend sein.
Es geht also darum, die gewünschten Bilder gewissermaßen selbst „in die Hand zu nehmen“?
Genau – wir wollen eine Lücke füllen. In den Medien kommen natürlich immer wieder mal Schwule, Lesben, Bisexuelle und auch mal Transpersonen vor, aber meist liegt der Fokus nach wie vor auf einer Art Defizit. Es geht um Minderheiten, um Opfer, um einen Mangel. Dabei ist zum Beispiel ein Coming-out der größte Vertrauensbeweis, den man einer anderen Person entgegenbringen kann. Unser Anliegen ist, dort Bilder zu schaffen, wo sie benötigt werden. Da können Jugendliche viel für ihre eigene Zielgruppe tun. Dass das funktioniert, kann man anhand der Kommentare auf Youtube erkennen.
Die Filme, die man sich dort ansehen kann, sind sehr unterschiedlich. Es gibt witzige Beiträge, kleine Dokumentationen und Videos die eher Richtung Spielfilm gehen …
Wir decken die gesamte Bandbreite ab, weil es ja erst einmal darauf ankommt, was die Workshop-Teilnehmer überhaupt machen wollen. Wir sagen ja nicht: „Wir drehen heute einen lustigen Kurzfilm, weil es keine lustigen Kurzfilme über queere Menschen gibt.“ Wir fragen vielmehr: „Wozu habt Ihr Lust und wie können wir Euch bei der Umsetzung unterstützen?“ Wir helfen dann beim Drehbuch, beim Drehort und bei der Auswahl der Schauspieler. Vorgaben gibt es erst einmal keine, die Jugendlichen bringen ja ihre tollen Ideen selbst mit.
Wer bucht Euch denn für einen Workshop?
Wir sind seit diesem Jahr in ganz Deutschland unterwegs. Gerade am Wochenende war ich im Allgäu bei der schwulen Jugendgruppe Bonito. Wir waren aber auch schon in Halle, bei den Queerulanten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Da geht es natürlich nicht um regelmäßige Arbeite vor Ort, sondern um einen ersten Input. Für viele Jugendgruppen, die ja über keine großen finanziellen Mittel verfügen, ist so ein Workshop ein Highlight. Sie brauchen nur einen Raum und wir kommen mit einem ehrenamtlichen Team, der Kamera und unserem Know-how. Die Jugendlichen stecken selber aber auch viel Energie rein, manchmal hat so ein Workshoptag zehn Stunden oder mehr. Filme und Video begeistern junge Menschen einfach.
Wie hast Du persönlich zu diesem Thema gefunden?
Ich habe Journalistik und Filmwissenschaften studiert, hatte aber immer schon ein großes Interesse an Medien. In meiner Vordiplomarbeit habe ich untersucht, was schwule Jugendliche für Bedürfnisse haben, wenn es um Information rund um das Thema Sexualität und sexuelle Identität geht. 2008 habe ich dazu eine Umfrage gemacht, in der immer wieder geäußert wurde, dass man gerne mehr audiovisuelles Material hätte. Die Bedürfnisse waren also deutlich und ein halbes Jahr später haben wir unseren Verein gegründet.
Welche Rolle haben Medien denn bei Deinem eigenen Coming-out gespielt?
Ich habe damals so ziemlich jedes Buch zum Schlagwort Homosexualität in der Bibliothek gelesen und ich bin nachts aufgestanden um mir „Queer as folk“ im Fernsehen anzugucken. Das war spannend und wichtig. Trotzdem war das Angebot eher gering und so Informationshäppchen, wie wir die machen – so etwas gab’s nicht.
Wie viele Filme habt Ihr mittlerweile gemacht?
Das kann ich Dir gar nicht genau sagen. Nicht alle Filme bei Youtube sind auch von uns produziert. Wir übersetzen ja auch Filme von Filmstudenten oder Hobbyfilmemachern ins Deutsche. Momentan gibt’s auf unserem Kanal aber ungefähr 190 Videos – Tendenz steigend.
Interview: Johannes J. Arens
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