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Räume schaffen und öffnen für queere geflüchtete Mädchen* und junge Frauen*: Werkstattprozess mit der LAG Mädchen*arbeit

Plakat "Wir sind da" für Mädchen mit FluchterfahrungDer Begriff Intersektionalität ist aus der vielfaltssensiblen politischen und sozialen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Queere geflüchtete Mädchen* und Frauen* erleben in ihrer Lebensrealität eine besondere Überschneidung von sozialen Lebenslagen und Diskriminierungsformen, über die auch Fachkräfte in den entsprechenden Bereichen bislang zu wenig wissen. Denn für eine Person, die sowohl Rassismus, Queerfeindlichkeit- als auch Sexismuserfahrungen macht, die aufgrund ihrer Herkunft wie ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung wie ihrer Geschlechtsidentität Fremdzuschreibungen und Stigmatisierung erfährt, lassen sich diese Erfahrungen nie einfach voneinander trennen. An diesem Punkt setzt eine Initiative des Projekts Queere Geflüchtete Jugendliche, angesiedelt am Schwulen Netzwerk NRW - in Zusammenarbeit mit der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen*arbeit in NRW, an.

Im Jahr 2018 führte die LAG Mädchen*arbeit eine Befragung durch, die sich speziell mit den Lebenssituationen und Bedarfen von Mädchen* und jungen Frauen* nach Flucht in der Migrationsgesellschaft beschäftigte. Im Rahmen dieser Befragung zeigte sich auch, dass queere geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* eine besonders marginalisierte Position einnehmen. Mit ihrem jetzt angestoßenen Entwicklungsprozess wirken das Projekt Queere Geflüchtete Jugendliche und die LAG Mädchen*arbeit daher nun darauf hin, Mädchen* und junge Frauen* mit Fluchtgeschichte in den Strukturen der Jugendarbeit sichtbarer zu machen, eine Plattform für ihre eigenen Stimmen zu bieten und Perspektivwechsel durch Dialog und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.

Basis des Prozesses bilden dabei die Erfahrungen von Expert_innen, also der partizipative Prozess und Austausch mit Mädchen* und jungen Frauen*, welche sich als queer und mit Migrations- und Fluchtgeschichte positionieren.

Aus diesem Austausch kristallisierte sich eine Reihe an Herausforderungen, Schieflagen und Versorgungslücken heraus: Austausch- und Schutzräume für queere geflüchtete Menschen, insbesondere für Jugendliche, werden zwar an immer mehr Orten in NRW angeboten. Häufig sind diese Räume allerdings überwiegend von Jungs* und jungen Männern* besucht. Mädchen* und junge Frauen*, die dort Anschluss suchen, erleben das Umfeld als wenig anschlussfähig für sich und ihre Bedürfnisse, oder sehen diese Treffs nicht als Orte, die sich in ihren Angeboten an sie richten.

Andere Freizeit- und Beratungsangebote richten sich speziell an Mädchen* und junge Frauen* mit Fluchtgeschichte. In diesen Strukturen allerdings sind queere Menschen mit ihren besonderen Lebenssituationen und Bedarfen häufig wenig bis gar nicht sichtbar oder bedacht.

Und schließlich fehlt den existierenden Angeboten für queere Menschen häufig die Sensibilität der verschiedenen Lebensrealitäten, um wichtige Beratung und Rückhalt für Menschen mit Rassismuserfahrung und Fluchtgeschichte bereitzustellen. Insbesondere in den Angeboten der trans* Beratung berichteten die Expertinnen  von fehlenden Angeboten.

Demgegenüber formulieren die Expertinnen einen großen Bedarf nach mehr

  • eigenen Räumen (Create Spaces for the invisible), Safer Spaces für LGBTIAQ* of Color, Peer to Peer Support zur Vertrauensbildung, Gruppe für Menschen mit Mehrfachzugehörigkeiten (finding a group to belong to), Empowermenträume (Wichtig um Vertrauen zu bilden und internalisierte Ablehnung nicht zu reproduzieren), Orte, an denen sie einfach sein können (places just to hang out).
  • Beratungsstellen für LSBTIAQ* mit Zuwanderungsgeschichte, die auch flächendeckend verfügbar und mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind.
  • Zuhören. Geduld haben. Raum für die Probleme und Ziele, die sie in eine Beratungssituation mitbringen.

Die LAG Mädchen*arbeit und das Projekt Queere Geflüchtete Jugendliche haben daher eine Austausch- und Veranstaltungsreihe für Fachkräfte der offenen Jugendarbeit, Jugendhilfe und Beratungsstellen ins Leben gerufen, in der offene Fragen diskutiert, wertvolle Erfahrungen ausgetauscht und Lösungsansätze erarbeitet werden sollen. In dem Austausch werden auch Fragen eingebracht, die sich im Austausch mit Haupt- und Ehrenamtlichen aus der Arbeit mit geflüchteten Frauen* und Mädchen* ergeben haben. Insbesondere steht aber im Mittelpunkt, welche Erfahrungen die Expertinnen nach ihrer Ankunft in Deutschland gemacht haben. Was haben sie als hilfreich empfunden, was als hinderlich?

Für Organisationen, die in der Jugendarbeit oder Beratung tätig sind und ihre eigenen Strukturen hinterfragen möchten, haben sich vor allem die folgenden Reflexionsfragen als hilfreich erwiesen:

  • Wie sichtbar sind queere geflüchtete Mädchen* und Frauen* in unseren Strukturen? Gibt es Hinweise bzw. Angebote, die klarmachen, dass queere Geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* bei uns willkommen sind?
  • Nehmen bestehende Schutzkonzepte die Bedürfnisse queerer geflüchteter Mädchen* und junger Frauen* in den Blick?
  • Welche Schutzräume gibt es/ kann es für die Zielgruppe geben? Wie können diese aussehen?
  • Welche Auseinandersetzung mit queeren Themen gibt es generell in unserem Team, und wie ist unsere Teamstruktur aufgebaut? Welche Menschen sind in unserer Teamkonstellation repräsentiert?

Die beteiligten Landesstellen planen, aus dem fortlaufenden Austausch Handlungsempfehlungen für Organisationen zu entwickelt, die Hinweise dazu geben, wie Mädchen* und junge Frauen* in ihrer eigenen Arbeit besser erreicht werden können. Auch bestehende Materialien sollen so überarbeitet werden, dass sie intersektionaler ausgerichtet sind. Außerdem sind Organisationen, die an einer weiteren Zusammenarbeit zum Thema interessiert sind, herzlich eingeladen zum Werkstatttreffen am 17. September 2020 in Wuppertal teilzunehmen.

Weitere Informationen zur Veranstaltung unter maari@schwules-netzwerk.de


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