Queere Jugendliche aus NRW nahmen vom 18. bis 23. Oktober 2016 an einer Gedenkstättenfahrt der Queeren Jugend NRW nach Krakau und Auschwitz teil, die von der Fachstelle Queere Jugend NRW des Schwulen Netzwerks NRW zusammen mit Jugendgruppenleitungen organisiert wurde. Cimara Witte, 20 Jahre alt, hat ihre Erfahrungen und Eindrücke in einem Bericht festgehalten. Cimara absolviert derzeit nach ihrem Abitur einen Bundesfreiwilligendienst im Internationalen Begegnungszentrum der Caritas in Wuppertal. In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich gerne mit Geschichte und engagiert sich für die queere Jugendgruppe BJ in Wuppertal sowie für Amnesty International.
Kälte, Schmutz und Armut. Das sind wohl Dinge, die viele Menschen mit Polen verbinden, wenn sie noch nicht da gewesen sind. Freundlichkeit, Schönheit und gutes Essen. Das sind die Dinge die ich unter anderem mitgenommen habe nachdem ich zusammen mit der Fachstelle der Queeren Jugend NRW sechs Tage in Polen verbracht habe.
Dienstagvormittag ging es vom Dortmunder Flughafen los Richtung Krakau; wir waren acht Leute, welche sich vorher nur flüchtig vom Vorbereitungstreffen der Gedenkstättenfahrt im NS-Dokumentationszentrum in Köln kannten, doch auf Anhieb gut verstanden haben. Das Wetter in Krakau war wieder aller Erwartungen und Vorurteilen warm und trocken, der Flughafen groß und modern und nachdem wir dann auch alle unser Gepäck zurück hatten, stiegen wir in den Zug ein der uns zum Hauptbahnhof in die Innenstadt Krakaus brachte. Von dort aus führte uns eine sehr nette junge Frau, die uns zufällig sah, zu unserem Hostel; selbiges war einfach gehalten doch für mich vollkommen ausreichend, auch wenn der eine oder die andere Mängel zu beklagen hatte. Der Rest des Tages bestand dann daraus sich etwas einzuleben und schon mal einen ersten Eindruck von der Stadt zu gewinnen, während wir auf der Suche nach einem Abendessen waren.
Erste Spurensuche

Queeres Polen
Am Abend stand dann das Treffen mit der queeren Aktivist*innengruppe, „Queerowy Maj“, an. Die Mitglieder*innen der Gruppe berichteten von den gesellschaftlichen und rechtlichen Bedingungen in Polen zum Thema LSBT* und stellte ihre Projekte vor; so wird seit 2009, jedes Jahr ein Festival im Kampf für Gleichberechtigung veranstaltet, welches aktuelle politische Themen anspricht, Workshops und Diskussionen anbietet und seinen Höhepunkt im Marsch der Gleichheit findet. Es war eine sehr beeindruckende Erfahrung, diese jungen Menschen kennen zulernen und von ihnen aus erster Hand zu hören, wie kritisch die Lage in manchen Bereichen zum Thema Menschenrechtsarbeit in Polen
Im Zentrum des Nazi-Terrors
Oświęcim ist der polnische Name der Ortschaft, welche unter dem Synonym Auschwitz in die Geschichtsbücher eingegangen ist; heute leben dort rund 23 000 Menschen und sie alle trennen strickt zwischen diesen beiden Namen. Wir kamen in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte von Oświęcim/Auschwitz unter, welche schon seit vielen Jahren darauf spezialisiert ist Schüler*innen sowie Studierenden und anderen jungen Menschen die Geschichte um die Konzentrationslager nahe zubringen. Freitagnachmittag stiegen wir dann auch schon in den Bus ein, welcher uns zum Stammlager bringen sollte. Das Wetter war schlecht und unterstrich die ohnehin bedrückte Stimmung, welche über dem ganzen Gelände schwebt wie unsichtbare Nebelschwaden. Das Eingangstor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ brachte schon mal einen Vorgeschmack auf die folgenden vier Stunden in denen wir durch das Lager geführt wurden. Es ist beeindruckend und beängstigend zugleich, durch die alten Gebäude zu gehen, sich die Zellen anzuschauen und zu wissen, dass vor 75 Jahren tausende von Menschen an eben diesem Ort gelitten haben und gestorben sind. Es ist kaum in Worte zu fassen, welche Gefühle mich überkamen, als wir die Haare sahen, welche den Häftlingen abgeschoren wurden, Schuhe und Schmuck, von ihren Eigentümern entwendet und zu Bergen aufgetürmt. Töpfe, Kämme, Bilder, Erinnerungen, entfremdet und entwertet, zu Kriegszwecken missbraucht. Am meisten trafen mich jedoch die Aussagen der Überlebenden und die gefundenen Kinderzeichnungen in den Baracken, welche in einer Sonderausstellung gezeigt wurden. Zurück in der Begegnungsstätte trafen wir uns dann abends zur Nachbereitung des Gesehenen. Kira und Jan hatten verschiedene Methoden vorbereitet um uns zum Nachdenken zu bringen über das Geschehene aber auch über das, was aktuell vorgeht, da Rassismus, Vorurteile und Hass keine Phänomene des Nationalsozialismus sind, sondern sich durch die Geschichte ziehen wie ein roter Faden welcher nicht zu reißen scheint.